
Großmütterchen Immergrün
Es war einmal eine kranke Mutter, die hatte Herzweh nach Erdbeeren und schickte deshalb ihre beiden Kinder ins Holz, daß sie ihr welche suchten. Als das Körbchen voll war, keins aber hatte eine gegeßen, so lieb hatten sie die Mutter; da kam ein altes Mütterchen daher, das war ganz grün angezogen und sprach zu ihnen: »Ich bin hungerig und kann mich nicht mehr bücken, so alt bin ich; schenkt mir ein paar Erdbeeren.« Und sie erbarmten sich der alten Frau und schütteten ihr das Körbchen in den Schoß. Als sie hierauf forteilten, um andere zu pflücken, rief das Mütterchen sie zurück, nahm sie bei der Hand und sagte: »Nehmet die Erdbeeren nur wieder, ich finde doch schon; und weil ihr ein so gutes Herz habt, schenke ich dir eine weiße und dir eine blaue Blume. Nehmet sie wohl in Acht, bringt ihnen alle Morgen frisches Waßer, und zanket nicht mit einander!« Sie dankten und eilten nach Hause. Als die Mutter die erste Erdbeere an die Lippen brachte, da war sie gesund, und das hatte Großmütterchen Immergrün gethan; und als die Kinder die Geschichte erzählten, da dankte sie der holden Frau und freute sich der Kinder, und so oft diese die Blumen ansahen, die immer frisch und lieblich waren, gedachten sie an das Wort: »Zanket nicht mit einander!« Eines Abends jedoch entzweiten sie sich und giengen friedlos zu Bette; und als sie am Morgen die Blumen tränken wollten, siehe! da waren diese kohlrabenschwarz. Da erschraken sie, nahmen sie traurig in die Hand und weinten viele, viele Thränen auf die Blumen; und siehe! die weiße wurde wieder weiß, die blaue wieder blau. Seit dem Tage haben sie immer Frieden mit einander gehalten, und die Mutter hat sie gesegnet im Leben und im Tode, und sind also die Blumen ein großer Schatz für sie geworden, und haben sie Großmütterchen Immergrün lieb gehabt bis an ihren Tod.
- Märchen und Sagen aus Hannover, Carl und Theodor Colshorn, Hannover 1854
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März 2018 | Großmütterchen Immergrün
Märchen und Sagen aus Hannover, Carl und Theodor Colshorn, Hannover 1854

Februar 2018 | Wintermärchen

Dezember + Januar | Pause
Eine kleine Pause im Dezember + Januar. Im Februar gehts weiter!

November 2017 | Herbstinspiration
Ein Gedicht von Engelbert Schinkel.

Oktober 2017 | Wann beginnt der Tag?
Eine jüdische Legende zum Oktober

September 2017 | Margheritina - das Birnenmädchen
Italienisches Volksmärchen - Paul Heyse (München 1914)

August 2017 | Das Rosenmädchen
Aus dem Werk "Sächsische Volksmärchen aus Siebenbürgen", Bukarest 1974.
Von Josef Haltrich (* 22. Juli 1822 in Sächsisch Regen, Siebenbürgen; † 17. Mai 1886 in Schaas, Siebenbürgen). Er war ein österreichisch-ungarischer Lehrer, Pfarrer und sächsischerVolkskundler.
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Juli 2017 | Von dem Sommer- und Wintergarten
Von dem Sommer- und Wintergarten ist ein Märchen. Es stand in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm nur in der Erstauflage von 1812 an Stelle 68 (KHM 68a).
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Juni 2017 | Die Geister der Johannisnacht
Jean François Marie Zéphyrin Bladé, oder Jean-François Bladé (* 15. November 1827 in Lectoure; † 30. Juni 1900 in Paris) war ein französischer Ethnologe und Schriftsteller.
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Mai 2017 | Die Erscheinung des O'Donoghue
Die Erscheinung des O'Donoghue ist ein Märchen. Es ist in den Irischen Elfenmärchen der Brüder Grimm an Stelle 27 enthalten, die sie 1825 aus Fairy legends and traditions of the South of Ireland von Thomas Crofton Croker übersetzten. Thomas Crofton Croker (* 15. Januar 1798 in Cork; † 8. August 1854 in London) war ein irischer Altertumsforscher.
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